In der regionalen Wirtschaft Mitteldeutschlands ist ein abnehmender Einsatz von Zeitarbeitskräften feststellbar. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage greifen Unternehmen zunehmend weniger auf Leiharbeit zurück. Zeitarbeit bietet jedoch für viele Arbeitssuchende eine Brücke in die Berufswelt nach einer Phase der Beschäftigungslosigkeit. Andererseits schätzen einige die dadurch gewonnene Flexibilität und entscheiden sich für eine Anstellung bei einer Zeitarbeitsagentur.
Konkret zeigt sich in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ein abnehmender Trend im Bereich der Zeitarbeitsverhältnisse. Im ersten Halbjahr 2023 verzeichnete man ein Absinken um etwa fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Trend setzt eine Entwicklung fort, die seit dem Höchststand an Zeitarbeitsbeschäftigungen im Herbst 2017 zu beobachten ist. Der bereits vor der Corona-Krise einsetzende Rückgang wurde zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 durch einen starken Einbruch weiter beschleunigt.
Nach einem vorübergehenden Aufschwung der Zeitarbeitszahlen in Sachsen und Thüringen setzt sich seit 2021 der Trend des Rückgangs fort, mit einem besonderen Ausmaß in Sachsen-Anhalt, wo im Juni 2023 sogar weniger Zeitarbeitskräfte beschäftigt waren als während des vorherigen Tiefpunkts im Krisenjahr 2020.
Die Konjunkturabhängigkeit der Zeitarbeitsbranche ist deutlich. Unternehmen setzen Leiharbeit vordergründig dann ein, wenn sie Auftragsspitzen bewältigen, Ausfälle kompensieren oder an neuen Standorten rasch mit der Produktion beginnen müssen. In Zeiten eines florierenden Wirtschaftsgeschehens sehen wir daher üblicherweise einen Anstieg der Zeitarbeitszahlen.
Momentan sieht es jedoch anders aus, bedingt durch eine eher gedämpfte wirtschaftliche Lage. Das ifo Institut für Wirtschaftsforschung in Dresden sagt für 2023 eine Stagnation des Bruttoinlandsprodukts in Ostdeutschland voraus, mit erst leichtem Wachstum im Jahr 2024. Zusätzlich erschweren aktuelle Herausforderungen, wie der Krieg in der Ukraine, Lieferkettenprobleme und Preisanstiege, die Situation für Zeitarbeitsfirmen.
Zudem unterliegt die Nachfrage nach Zeitarbeit saisonalen Schwankungen. Im Winter und Frühling sind weniger Zeitarbeiter beschäftigt – besonders zwischen Januar und März. Im Sommer und Herbst nimmt ihr Einsatz wieder zu und erreicht im September regelmäßig einen Höhepunkt.
Stellt man die Zeitarbeit in den Gesamtkontext des Arbeitsmarktes, bleibt ihr Anteil verhältnismäßig gering. Im Juni 2023 waren in Sachsen-Anhalt lediglich rund zwei Prozent, in Sachsen 2,3 Prozent und in Thüringen drei Prozent aller Beschäftigten in der Zeitarbeit tätig. Seit 2017 ist dieser Anteil kontinuierlich gefallen, was eine Abnahme um ein bis zwei Prozentpunkte im Vergleich zu früheren Jahren bedeutet.
Branchenspezifisch gibt es jedoch Unterschiede. Ein großer Teil der Zeitarbeiter ist in der Logistik und Metallverarbeitung tätig. Besonders in der Lagerwirtschaft ist ein Zuwachs zu verzeichnen, wobei der Anteil in Sachsen-Anhalt und Thüringen über dem Bundesdurchschnitt liegt. In anderen Bereichen, wie der Maschinen- und Fahrzeugtechnik sowie der Kunststoffproduktion, sinkt die Nachfrage nach Zeitarbeit.
Auffällig ist der Zuwachs im Gesundheits- und Sozialbereich, insbesondere in der Kranken- und Altenpflege, wo seit 2019 der Anteil an Zeitarbeitern stark gestiegen ist. Diese Entwicklung führte zu Überlegungen für eine Pflegereform auf Bundesebene, die unter der Leitung von Gesundheitsminister Karl Lauterbach diskutiert wird, mit dem Ziel, die Abwerbung von Fachkräften aus Altenheimen durch Leiharbeitsfirmen zu erschweren.
Zeitarbeit dient oft als Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt: Viele Arbeitslose finden so wieder eine Beschäftigung, wobei der Großteil zuvor höchstens ein Jahr ohne Job war. Einige wechseln auch direkt aus anderen Anstellungsverhältnissen in die Zeitarbeit.
Die Branche ist darüber hinaus vielfach ein Zugangspunkt für Arbeitsmarktgruppen mit geringeren Chancen, wie Menschen ohne Berufsausbildung oder mit Migrationshintergrund. Viele von ihnen üben Helfertätigkeiten aus, was den höheren Anteil dieser Gruppen in der Zeitarbeit erklärt.
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