Im Osten bedeutet Sichtbarkeit Bedrohung

In den neuen Bundesländern ist politisches Handeln persönlich und sichtbar, und das betrifft ebenso den politischen Widerstand.

Die Diskussion um Ostdeutschland ist oft vergangenheitsbezogen – es wird beleuchtet, wie historische Ereignisse die aktuelle Situation prägen. Im Jahr 2024 rückt jedoch auch die zukünftige Richtung der Region in den Vordergrund, angetrieben durch entscheidende Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen. Diese drei Staaten haben ihre eigenen soziopolitischen Dynamiken, teilen jedoch die Gemeinsamkeit einer augenscheinlich starken Position der AfD laut Umfrageergebnissen und des Aufkommens einer von Sahra Wagenknecht ins Leben gerufenen Partei.

Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist nicht auf die Grenzen der betroffenen Bundesländer beschränkt, sondern erregt auch in der Bundeshauptstadt beachtliche Aufmerksamkeit. Die Brisanz wurde durch Enthüllungen des Investigativnetzwerks Correctiv verstärkt, das Verbindungen von rechtsextremen Netzwerken zur Politik und Wirtschaft sowie Pläne zur Vertreibung und Deportation von Menschen aufdeckte.

Diese Enthüllungen lösten landesweit Demonstrationswellen aus, die das Engagement für Demokratie der Mehrheitsgesellschaft unter Beweis stellten. Während diese Ereignisse für viele das Signal darstellten, nun aktiv für die Demokratie einzutreten, erleben Menschen in marginalisierten Positionen schon lange eine akute Bedrohung und passen entsprechend ihre Lebenspläne an.

Öffentliche Aufrufe, wie jener des ZDF-Journalisten Mitri Sirin, der sein Engagement für Demokratie in Deutschland klar formulierte, zeigen die Vielschichtigkeit des demokratischen Engagements auf. Die Möglichkeiten, politischen Protest zu äußern oder sogar politische Ämter zu bekleiden, variieren stark und können in manchen Regionen Ostdeutschlands ein Risiko darstellen.

Die Anerkennung der Bedeutung politischen Engagements auf kommunaler Ebene durch Regierungsvertreter, wie den Beauftragten für die neuen Bundesländer, Carsten Schneider, betont, dass funktionierende Demokratie auch ehrenamtliches Mitwirken auf lokaler Ebene erfordert, auch wenn dies an einigen Orten durch vorhandene rechte Mehrheiten erschwert wird.

Zunehmende Bedrohungen gegen Politiker auch auf Bundesebene, hin zu Angriffen und Verhinderung von Reisefreiheiten, zeigen die Dringlichkeit dieses Themas. Die lokale politische Teilnahme ist hochgradig persönlich und erfordert Mut, insbesondere in kleineren Städten, wo Anonymität fehlt.

Proteste, wie jene in Leipzig und Potsdam mit jeweils 10.000 Teilnehmern, sowie Aktionen in kleineren Orten, illustrieren das Engagement der Bürger und die Wichtigkeit, sich sicher organisieren zu können. Die Erfahrungen mit rechter Gewalt haben zu einer starken Vernetzung und soliden Strategien im Umgang mit Bedrohungen geführt.

Das Forschungsprojekt „RäuMig – Räume der Migrationsgesellschaft“ zeigte, wie Erinnerungen an rechte Gewalt und Rassismus den städtischen Raum und die gesellschaftliche Auseinandersetzung beeinflussen. Trotz der Bedeutung größerer Städte für Massendemonstrationen ist das demokratische Engagement in kleineren Orten von gleichwertiger Bedeutung.

Positive Initiativen in ostdeutschen Städten zeigen, wie ehrenamtliches und zivilgesellschaftliches Engagement trotz des Drucks von rechts möglich ist. Als Beispiel dient eine spontan organisierte Demonstration gegen Rassismus in einer kleinen Stadt in Brandenburg nach einem gewalttätigen Angriff, bei der eine beeindruckende Teilnahme zu verzeichnen war.

Unterstützung aus größeren Städten sowie von der Bundes- und Landespolitik kann diese lokalen Initiativen stärken. Die Förderung von kulturellen Einrichtungen, Opferberatungsstellen und migrantengeführten Selbstorganisationen trägt zu einer nachhaltigen Unterstützung bei.

In Anbetracht der 2024 bevorstehenden politischen Herausforderungen besteht kein Grund zur Resignation; vielmehr ist es eine Gelegenheit, gemeinsam für eine lebhafte und geschützte Demokratie zu kämpfen.

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