Herausforderungen und Chancen einer schrumpfenden Region
Die neuen Bundesländer stehen am Scheideweg ihrer demografischen Zukunft. Prognosen zeichnen ein düsteres Bild: Bis zum Jahr 2040 erwartet man dort einen deutlichen Bevölkerungsrückgang, gepaart mit einer steigenden Überalterung. Das ist nicht bloß ein statistisches Phänomen. Es ist eine schmerzhafte Realität, die tiefe soziale, wirtschaftliche und politische Spuren hinterlassen wird, sollte sie ungehindert fortschreiten.
Laut der Studie des Wegweisers Kommunen der Bertelsmann Stiftung differenziert sich die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland stark: Während einige Bundesländer wie Baden-Württemberg oder Stadtstaaten wie Berlin und Hamburg ein Bevölkerungsplus verzeichnen können, stehen das Saarland und die östlichen Bundesländer vor einem signifikanten Bevölkerungsrückgang – Sachsen-Anhalt gar vor einem Minus von 12,3 Prozent bis 2040. Hier werden existenzielle Fragen laut: Warum schrumpft und altert gerade der Osten Deutschlands so dramatisch? Und noch wichtiger: Wie kann dieser Entwicklung entgegengewirkt werden?
Die Gründe für diesen Trend sind vielschichtig. Zu nennen sind historische Migrationsbewegungen nach der Wiedervereinigung, als viele junge Menschen und gut Ausgebildete den Osten verließen, auf der Suche nach Arbeit und Perspektiven im Westen. Dieser Aderlass hat dazu geführt, dass die Geburtenrate sank und die Alterung der Bevölkerung beschleunigt wurde. Hinzu kommt eine geringere Attraktivität der Region für Zuwanderer aus dem Ausland. Petra Klug von der Bertelsmann Stiftung weist in einem Interview mit zeit.de auf Wanderungsbewegungen als entscheidenden, jedoch schwer prognostizierbaren Faktor hin. Selbst unvorhersehbare globale Ereignisse, wie die Kriege in Syrien und der Ukraine, spielen in der komplexen Gleichung der Bevölkerungsentwicklung eine Rolle.
Die Folgen des Bevölkerungsrückgangs und der Überalterung sind gravierend: Arbeitskräftemangel, ein schwächelnder Immobilienmarkt, Infrastrukturen, die nicht mehr ausgelastet werden, und soziale Dienste, die unter der Last einer alternden Gesellschaft ächzen. Es ist klar erkennbar, dass Handlungsbedarf besteht, um dem Trend entgegenzuwirken und die Region zu stärken.
Eine mögliche Strategie zur Revitalisierung Ostdeutschlands könnte in einer gezielten Anwerbung und Integration von Zuwanderern liegen, wobei insbesondere auf die Ansiedlung von Familien und die Schaffung einer Willkommenskultur Wert gelegt werden sollte. Die Bildungsoffensive muss weiter gestärkt werden, um junge Menschen in der Region zu halten und gleichzeitig für Neuankömmlinge attraktiv zu sein. Auch die Förderung von Innovation und der Ausbau der Infrastruktur – sowohl physisch als auch im Bereich der Digitalisierung – können einen Anreiz bieten und das ökonomische Wachstum stimulieren.
Die Alterung ist unvermeidbar, doch die Gesellschaft kann sich darauf einstellen. „Smart Ageing“-Konzepte, die die Potenziale einer älteren Bevölkerung nutzen, könnten den Weg in eine prosperierende Zukunft ebnen. Pflegedienste und altersgerechter Wohnraum müssen ausgebaut und finanziert werden. Zudem sollte die Wertigkeit der Arbeit im Pflege- und Gesundheitssektor erhöht werden, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Es bleibt festzuhalten, dass die demografische Entwicklung des Ostens keine Naturgewalt ist, der man hilflos ausgeliefert ist. Vielmehr handelt es sich um eine gestaltbare Herausforderung, die eine Mischung aus mutigen politischen Entscheidungen, gesellschaftlichem Engagement und wirtschaftlichen Anreizen benötigt. Es gilt, die identifizierten Fehlerquellen bei Bevölkerungsprognosen im Sinne einer präziseren Planung zu minimieren und lokale Besonderheiten zu berücksichtigen, wie Petra Klug betont. Nur so können evidenzbasierte Strategien entwickelt werden.
Die Zukunft des Ostens mag ungewiss sein, doch Hoffnung besteht, solange die Herausforderung erkannt und angenommen wird.
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