Warum die Aktionen der ‚Letzten Generation‘ nicht mit Bauernprotesten gleichgesetzt werden dürfen
Die Debatte um den Umgang mit Protesten und zivilem Ungehorsam ist in Deutschland erneut entflammt. Im Fokus stehen dabei die Aktionen der Umweltbewegung „Letzte Generation“ einerseits und die teils radikalen Bauernproteste andererseits. Bei genauerer Betrachtung der beiden Protestformen fällt auf, dass eine ungleiche Behandlung stattfindet, die weitreichende Implikationen für unsere Demokratie und Gesellschaft hat.
Im Falle der Bauernproteste, wie zuletzt in Brandenburg, wurde nicht selten die Gefahrenschwelle deutlich überschritten. Das Kippen von Mist auf Straßen ist nicht nur ein Akt des Protests, sondern birgt unmittelbare Risiken für Menschenleben durch Verkehrsunfälle. Diese Form der Aktion orientiert sich an den Eigeninteressen der Agrarlobby und ist darauf ausgerichtet, wirtschaftliche Vorteile – etwa in Form von Subventionen – zu erhalten oder auszubauen. Dabei bedienen sich einige Demonstranten auch Methoden, die strafrechtlich relevante Tatbestände wie Nötigung, Sachbeschädigung und im schlimmsten Fall vorsätzliche Körperverletzung erfüllen.
Demgegenüber stehen die friedlichen, wenn auch in ihrer Durchführung umstrittenen Proteste der „Letzten Generation“. Ihre Aktionen, die oftmals Straßenblockaden umfassen, haben einen aufklärerischen und appellierenden Charakter und richten sich an das kollektive Gewissen der Gesellschaft. Ihr Ziel liegt darin, auf die Dringlichkeit der Einhaltung internationaler Klimaschutzabkommen aufmerksam zu machen und somit das Überleben des Planeten und seiner Bewohner zu sichern. Die Aktivisten stellen dabei keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben dar, doch wird ihr Vorgehen häufig pauschal als extrem oder gar als Terrorismus verunglimpft.
Auffällig ist, dass das politische Framing maßgeblich die öffentliche Wahrnehmung und Bewertung dieser unterschiedlichen Protestformen beeinflusst. Während die Straftaten innerhalb der Bauernproteste oft individualisiert und relativiert werden, werden die Aktionen der „Letzten Generation“ generalisiert und immens kritisiert. Dieses Ungleichgewicht wird durch die politischen Verflechtungen von Agrarverbänden und konservativen Parteien noch verstärkt.
Die Dämonisierung der Klimaproteste dient dabei als Instrument, Teile der Umweltbewegung zu diskreditieren und gleichzeitig eine härtere Gangart im Sinne von Recht und Ordnung zu propagieren. Die Eskalation der Rhetorik spiegelt sich auch in der Praxis wider. Der übermäßige Polizeieinsatz gegen Aktivisten in Berlin zeigt dies deutlich – insbesondere die gewalttätige Behandlung einer minderjährigen Demonstrantin durch die Polizei.
Es ist an der Zeit, dass wir als Gesellschaft kritisch unsere Haltung zu Protesten reflektieren und hinterfragen, welche Interessen dabei wirklich im Spiel sind. Wir müssen erkennen, dass eine Gleichsetzung von straffreien, auf das Gemeinwohl abzielenden Protesten und solchen, die eindeutig rechtliche Grenzen überschreiten und einzelne Interessen verfolgen, einer Demokratie unwürdig ist. Von entscheidender Bedeutung ist, dass wir das eigentliche Anliegen der Proteste – ob nun für Umweltschutz oder für faire landwirtschaftliche Bedingungen – nicht aus den Augen verlieren, dabei aber nicht Gewalt und Rechtswidrigkeiten tolerieren dürfen.
Wir müssen uns ehrlich fragen, warum wir zu Doppelstandards neigen, wenn es um die Bewertung von Aktivismus geht. Liegt es tatsächlich an der zugrundeliegenden Sache, oder spielt die politische Opportunität eine größere Rolle, als uns lieb ist?
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