Warum Ostdeutschlands Kohleregionen mehr als nur ein Handreichen benötigen
In den Weiten Ostdeutschlands, geprägt von der imposanten Präsenz von Tagebauen und betagten Kraftwerkskolossen, stehen menschliche Schicksale und regionale Identitäten auf dem Spiel. Mit der unabdingbaren Energiewende, die den Ausstieg aus der Braunkohlenutzung bis 2038 vorsieht, hat sich Deutschland einem Ziel verschrieben, das den Klimaschutz mit wirtschaftlicher und sozialer Verantwortung in Einklang bringen muss. Die ostdeutschen Kohleregionen – Lausitz und Mitteldeutschland – stehen dabei besonders im Fokus. Sie sind Leidtragende einer Zeitenwende, die zugleich eine einzigartige Chance birgt, zukunftshafte Blaupausen regionaler Entwicklung zu zeichnen.
Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass die bisherigen Eingriffe des Bundes und der Länder zwar richtungsweisend, jedoch bei Weitem nicht ausreichend sind. Der Einrichtung des Kompetenzzentrums für Regionalentwicklung in Cottbus, eines Projektes des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), kommt eine Schlüsselrolle zu. Die Essenz dieses komplexen Unterfangens: das Prinzip „Forschen durch Fördern“. Ein ehrenhafter Ansatz, der jedoch über eine lokale Präsenz hinaus eine intensivere und partizipative Einbindung der lokalen Bevölkerung erfordert.
Die sozioökonomische Verflechtung der Braunkohle mit dem Leben in diesen Regionen kann nicht unterschätzt werden. Die Arbeit der Menschen im Tagebau, ihr Beitrag zur Energieversorgung des Landes und das Stigma der „dreckigen Kohle“, das an ihrem Selbstverständnis haftet, sind Aspekte, die durch reine infrastrukturelle und wirtschaftliche Transformation nicht adressiert werden können. Es geht nicht nur um den Verlust von Arbeitsplätzen, sondern um den Verlust einer Lebensweise, und dieser Verlust kann nicht allein durch technokratische Umstrukturierung aufgefangen werden.
Das KRE mag sein Augenmerk auf die Unterstützung beim Aufbau neuer Industrien, die Förderung von erneuerbaren Energien und die Gestaltung nachhaltiger Siedlungsstrukturen richten. Doch es bedarf mehr als eines Investitions- und Förderbetriebs, um regionale Erholung zu erzielen. Es geht um einen integrativen Prozess, der kulturelle und soziale Aspekte der Gemeinschaften einbezieht, um eine echte Transformation zu erreichen – eine, die nicht nur wirtschaftlich attraktiv ist, sondern auch ökologisch und sozial gerecht.
Die Herausforderung liegt darin, einen Weg zu ebnen, der die Menschen nicht nur mitnimmt, sondern ihnen das Steuer in die Hand gibt. Die Gründung von Dialogplattformen, die Durchführung von Ideenwettbewerben und das Konzept der „Raumpaten“ sind sicherlich lobenswerte Ansätze. Jedoch muss die Frage gestellt werden, ob sie den tatsächlichen Bedürfnissen und der tiefen Verunsicherung der Bürger gerecht werden. Die Menschen vor Ort brauchen mehr als ein offenes Ohr; sie benötigen wirkungsvolle Mechanismen, die ihnen eine aktive Rolle in der Formung ihrer Zukunft ermöglichen.
Erst die Verknüpfung von Wissenschaft, Kultur und lokalem Engagement kann zu einer ressourcenorientierten Regionalpolitik führen, die nicht nur Symptome bekämpft, sondern die Ursachen struktureller Benachteiligung aufgreift. Dies bedeutet die Entwicklung von Bildungs- und Qualifizierungsangeboten, die über den unmittelbaren Arbeitsmarkt hinausgehen, die Förderung kultureller und sozialer Projekte, die Identität und Zusammenhalt stiften, und nicht zuletzt eine transparente Kommunikation, die Misstrauen ab- und Vertrauen aufbaut.
Der von der Bundesregierung eingeschlagene Pfad ist ein zu begrüßender Anfang, doch die Uhr tickt. Mehr als jemals zuvor ist ein strategischer, multidimensionaler Ansatz notwendig, der Partner aus allen Ebenen der Gesellschaft einbezieht und die betroffenen Regionen als aktive Gestalter ihrer Zukunft betrachtet. Nur so kann ein geordneter und gerechter Übergang gelingen, der den Bedarf und Verzug im Thema „Regionalentwicklung in den ostdeutschen Kohleregionen“ nicht nur erkennt, sondern auch konsequent adressiert.
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