Aus für SKW Piesteritz?

Ein Plädoyer für den Erhalt eines industriellen Herzstücks von Sachsen-Anhalt

In Wittenberg steht mehr auf dem Spiel als nur die Geschäftszahlen eines einzelnen Unternehmens. Es geht um das Stickstoffwerk Piesteritz, ein Unternehmensschwergewicht, das für die Region und ganz Sachsen-Anhalt von essenzieller Bedeutung ist. Angesichts der drohenden Abwanderung dieses Industriegiganten nach Österreich, wo anscheinend finanzielle Oasen in der Wüste der Gaspreise winken, ist es ein Alarmruf, dass der Status quo untragbar geworden ist und dringend Handlungsbedarf besteht.

Das SKW ist weit mehr als ein Produzent von Düngemitteln; es ist ein gewachsenes Ökosystem aus Arbeitsplätzen, Ausbildung und lokaler Wirtschaftsförderung. Mit rund 900 Beschäftigten ist es eine Lebensader für die Stadt Wittenberg und den Landkreis, ein großer Steuerzahler, der viel zum regionalen Haushalt beiträgt. Oberbürgermeister Torsten Zugehör hat vollkommen recht, wenn er auf die Verluste hinweist, die der Stadt durch den Weggang des Unternehmens entstehen würden. Diese Verluste sind jedoch nicht nur finanzieller Natur. Denken wir an die soziale Komponente: Generationen von Mitarbeitern haben hier ihre Ausbildung erhalten und sind seit Jahrzehnten Teil des Betriebs. Ihre Jobs sind ein Teil ihrer Identität und gehören zur DNA der Region. Ihnen einfach den Rücken zu kehren, würde ein soziales Beben auslösen, dessen Folgen wir bis jetzt nicht einmal abschätzen können.

Die hohe Gaspreissensibilität der chemischen Industrie, insbesondere der Düngemittelproduktion, ist bekannt. Dennoch muss eine Lösung gefunden werden, die die SKW Stickstoffwerke Piesteritz wettbewerbsfähig hält. Die aktuelle Ankündigung sollte ein Weckruf für die Politik sein, kreative und nachhaltige Lösungen zu suchen, um solch einen wertvollen Industriestandort zu sichern. Die Unterstützung der Bundespolitik ist unerlässlich. Es ist zwar nachvollziehbar, dass Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und Wirtschaftsminister Sven Schulze die Alarmglocken läuten, aber sie benötigen die solidarische Unterstützung der gesamten Bundesregierung. Enttäuschend ist das Echo aus Berlin, das bisher kaum vernehmbar war – wir brauchen mehr als nur Sorgebekundungen. Es steht viel mehr auf dem Spiel als Dünger und Gaspreise. Es geht um den Erhalt eines stabilen, industriellen Rückgrats und um die Verhinderung eines gefährlichen Präzedenzfalls. Wenn SKW Piesteritz geht, könnte dies weitere Unternehmen dazu ermutigen, ähnlich zu verfahren. Wir riskieren, zu Zeugen einer schleichenden Deindustrialisierung Sachsen-Anhalts und Ostdeutschlands zu werden.

Die Geschichte des SKW, seine Verbindung zur Region und seinen Menschen, seine Rolle in der lokalen Wirtschaft – all das sind unersetzbare Güter. Es ist Zeit, dass alle Beteiligten an einen Tisch kommen, um wirkungsvolle Maßnahmen auszuarbeiten, die nicht nur kurzfristige Linderung, sondern langanhaltende Stabilität bringen. Das Stickstoffwerk in Piesteritz muss erhalten bleiben – für die Stadt, den Landkreis, das Land und vor allem für die Menschen.

Schwierige Zeiten für Stickstoffwerk | MDR.DE

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