Demokratie im Stresstest

Das Versagen der einiger Fraktionen im Leipziger Stadtrat

Als im Schatten der Leipziger Nikolaikirche, von deren Stufen einst die Wende ihren wesentlichen Ausgang nahm, sollte der Stadtrat ein Forum für den demokratischen Diskurs auf kommunaler Ebene darstellen. Die letzte Sitzung jedoch offenbarte gravierende Risse in der demokratischen Kultur unserer Stadt. Das kollektive Verlassen des Saales durch die CDU-Fraktion während der Rede des Vorsitzenden des Migrationsbeirates ist nicht nur ein Akt des politischen Theaters, sondern ein erschreckender Beleg für die Verachtung demokratischer Werte, der Wahlbevölkerung und der Respektlosigkeit gegenüber einer einzelnen Person.

Diese Handlung zeigt ein mangelndes Verständnis der kommunalen Verantwortung, das weit über die Grenzen einer politischen Meinungsverschiedenheit hinausgeht. Der Leipziger Stadtrat dient dem Wohle der Stadt und aller ihrer Bürger, nicht als eine Bühne für politische Kraftakte oder als Echoraum für bundespolitische Unstimmigkeiten. Die Erörterung von kommunalen Angelegenheiten, wie der Leipzig Pass, sollte im Zentrum einer jeden Sitzung stehen. Die Schaffung von Zugangsvereinfachungen zu diesem Pass für Menschen mit Wohngeld ist ein klares Beispiel dafür, wie konkret auf die Bedürfnisse der Leipziger eingegangen werden kann. Stattdessen sah man einen Tiefpunkt der Debattenkultur, bei dem gegenseitige Beschimpfungen und ideologische Scheuklappen die Oberhand über sachliche Politik gewannen.

Eine CDU, die es vorzieht, den Raum zu verlassen, statt der Stimme eines Vertreters einer Minderheit zuzuhören, isoliert sich nicht nur selbst, sondern delegitimiert auch die Wahlbevölkerung, die ihr das Mandat zur Teilnahme an diesen Diskursen erteilt hat. Es ist zudem zutiefst beunruhigend, wenn dieselbe Fraktion, die einen Missstand des Antisemitismus anprangert – ein vernünftiges und gerechtfertigtes Anliegen –, in einem anderen Atemzug die vulgäre Rhetorik und das feindselige Verhalten einer Partei unterstützt, dessen Mitglied offenbar nicht vor Verharmlosung nationalsozialistischer Rassengesetze zurückschreckt.

Es geht hier nicht um die Verbreitung europäischer oder nationaler Ideologien, sondern um praktische, ehrliche Politik, die die Lebensqualität der Stadtbewohner verbessern sollte. Es ist Zeit, dass die Fraktionen ihre Strategien überdenken und erkennen, dass Demokratie kein Spiel ist, welches man betritt und verlässt, wie es einem gefällt. Es ist ein ernsthafter, fortlaufender Prozess, der Aufmerksamkeit, Teilnahme und vor allem Respekt verlangt – Respekt vor dem System, den Wählern und den gewählten Vertretern aller Ebenen, einschließlich des Vorsitzenden des Migrationsbeirates, unabhängig von individuellen Sichtweisen.

Man muss sich der Verantwortung stellen und konstruktiv für die Stadt und ihre Menschen arbeiten.

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